Bäume - Heimat und Geborgenheit

Haben Sie auch einen Lieblingsbaum? Im Rosensteinpark oder auch anderswo? Einen besonders schönen, großen, alten, in dessen Schatten sie gerne sitzen und vor sich hin träumen? Den Rücken an seinen Stamm gelehnt hören Sie dem Rauschen des Windes in seinen Blättern zu und fühlen sich einfach daheim und geborgen?

Woher das kommt? Seit jeher leben wir Menschen enger Beziehung mit den Bäumen. Sie sind unsere ältesten Gefährten, sind die höchsten, grössten und ältesten Lebewesen der Welt. Seit Urzeiten finden wir Schutz, Kraft, Energie, Anregung, Entspannung in ihrem Schatten. Allein im Rosensteinpark gibt es 98 über 150 Jahre alte Bäume; die sollen allerdings für den Tiefbahnhof Stuttgart21 gefällt werden.

Was Bäume uns bedeuten

Auch auf der symbolischen Ebene haben Bäume große Bedeutung für uns Menschen. Die Kelten beispielsweise sahen den Baum als Sinnbild für die Balance zwischen den Welten, die Vereinigung von oben und unten, für Gleichgewicht und Harmonie. Sie betrachteten den Kosmos als riesigen Baum, dessen Wurzeln tief in die Erde und dessen Zweige hoch hinauf in den Himmel reichten.

Im Ersten Buch Mose (Genesis)2.9 lesen wir: "Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen." Nicht nur in der Genesis - in allen Kulturen steht der Baum vor dem Menschen und stellt überall den Baum des Lebens und der Erkenntnis dar.

Oder denken Sie an den Brauch, zur Geburt des Kindes einen Baum zu pflanzen, der es auf dem Weg durchs Leben begleiten soll. Dieser "Lebensbaum" ist ebenfalls in allen Kulturen verankert, und überall stellt er den Inbegriff des Leben dar: Wie ein Baum durchlebt auch der Mensch Phasen des Wachsens, Blühens, Reifens, Welkens und Vergehens.

Wenn wir Bäume anschauen, entsteht in uns eine Sehnsucht, wie wir unser Leben, unsere sozialen Beziehungen gestalten wollen. Der türkische Lyriker Nazim Hikmet drückte das so aus:

Leben
wie ein Baum
einzeln und frei
und brüderlich
wie ein Wald
das ist unsere Sehnsucht

Zahlreiche Dichter wurden von Bäumen inspiriert, insbesondere von den alten, mächtigen. Auch Hermann Hesse (1877-1962). In vielen seiner Werke erscheinen Bäume als Sinnbild für das menschliche Leben, als Symbole der Vergänglichkeit. In der folgenden Arbeit verewigte er den Zauber alter Bäume:

"Bäume sind Heiligtümer..."

"Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit. Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie predigen, um das einzelne unbekümmert, das Urgesetz des Lebens.

Ein Baum spricht: In mir ist ein Kern, ein Funke, ein Gedanke verborgen, ich bin Leben vom ewigen Leben. Einmalig ist der Versuch und Wurf, den die ewige Mutter mit mir gewagt hat. Einmalig ist meine Gestalt und das Geäder meiner Haut; einmalig das kleinste Blätterspiel meines Wipfels und die kleinste Narbe meiner Rinde. Mein Amt ist, im ausgeprägten Einmaligen das Ewige zu gestalten und zu zeigen.

Ein Baum spricht: Meine Kraft ist das Vertrauen. Ich weiß nichts von den tausend Kindern, die in jedem Jahr aus mir entstehen. Ich lebe das Geheimnis meines Samens zu Ende, nichts anderes ist meine Sorge. Ich vertraue, dass Gott in mir ist. Ich vertraue, dass meine Aufgabe heilig ist. Aus diesem Vertrauen lebe ich.

Wenn wir traurig sind und das Leben nicht mehr gut ertragen können, dann kann ein Baum sprechen: Sei still! Sieh mich an! Leben ist nicht leicht, Leben ist nicht schwer! Das sind Kindergedanken. Bäume haben lange Gedanken, langatmige und ruhige, wie sie ein längeres Leben haben als wir ... "

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