„Wie bitte, es führt bereits ein unterirdischer Tunnel durch den Rosensteinpark?“ Ja, das tut er. Schnurgerade, direkt unter den beiden Löwen am Eingangsportal führt er unter dem Schloss hindurch. Er deckt sich mit der Mittelachse des Schlosses, in dem seit 1954 das Museum Schloss Rosenstein untergebracht ist.
Wenn Sie von der Wilhelma kommend etwa 100 Meter hinauf in Richtung Schloss Rosenstein gehen, laufen Sie am Cannstatter Portal des Tunnels vorbei. Die Aussichtsplattorm, von der Sie ins Neckartal und auf den Tunnel blicken können, liegt links. Bäume und Büsche verdecken die Sicht darauf, doch inzwischen können Sie seinen Standort gut an der Abzäunung und an den Baufahrzeugen und blauen Rohren erkennen.
Der Rosensteintunnel ist seit 1985 als Kulturdenkmal eingestuft. Erbaut wurde er in bergmännischer Bauweise durch die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen. Baubeginn war der 1. Juli 1844, fertig war der Tunnel am 4. Juli 1846. Natürlich war der Bau umstritten, da Kritiker befürchteten, das Schloss könne Schaden nehmen. Auch war es ein Unding, dass da ein Eisenbahntunnel unter „dem Herrn König seinem Haus“ hindurchführen sollte. Doch König Wilhelm I. erklärte sein Einverständnis, und die Baugenehmigung wurde am 14. März 1844 erteilt.
Die Tunnelröhre des alten Tunnels ist 362 Meter lang, sieben Meter breit und gut sechs Meter hoch. Auf zwei Schienensträngen rollten die Dampfzüge aus Stuttgart hinaus eine Neckarbrücke zum Cannstatter Bahnhof. Bis 1914 - ab da machte der vierspurige und noch heute genutzte Rosensteintunnel unter dem Rosengarten das alte Bauwerk überflüssig.
Danach wurde der Tunnel vielfach genutzt. Beispielsweise als Luftschutzbunker während der Bombenangriffe, zur Champignonzucht, als Unterschlupf, und auch die Firma Mahle verwendete ihn eine Zeit lang. 1966 wurde der Tunnel zugemauert, Anfang der 90er Jahre wurde er als Eisenbahnanlage entwidmet und aufgelassen, 1992 in das Eigentum des baden-württembergischen Landesbetriebs für Vermögen und Bau übertragen. Im Zuge dessen war er auch als Standort für ein Mineralienmuseum im Gespräch, doch leider ist daraus nichts geworden.
Jetzt könnte man denken, dass die Fledermäuse sich den Rosensteintunnel erobert haben, um dort ungestört ihren Tagesschlaf zu halten, sich zu paaren, die Jungen großzuziehen, den Winter zu verschlafen und Schutz zu finden vor Witterung und Feinden. Nein, die bleiben wohl lieber im Park, denn nachweislich leben dort keine Fledermäuse. Statt dessen haben sich im Tunnel seltene Krebstierchen angesiedelt, die in den Wasserpfützen hausen, im Sinter und zwischen den Tropfsteinen (s. Bild 3 oben rechts).
Tropfsteine im Rosensteintunnel? Ja. Genau unter dem Schloss Rosenstein wachsen sie aus den Tunnelwänden. Hier ist es besonders feucht, denn während der Bauarbeiten (1844-1846) kam es zu einem Unglück, weil die Wasserbassins des zwischen 1822 bis 1830 erbauten Schlosses waren undicht waren. Gut 10 Meter tiefer führte das zu einem Wasser- und Schlammeinbruch. Verletzt wurde dabei niemand, nur Kritiker fürchteten eine Schädigung des Schlosses, doch es blieb unversehrt.
Dadurch kam es zu den Sinterablagerungen, Stalaktiten und den spiegeleierförmige Stalagmiten im Tunnel. Weiter finden ich Versteinerungen vom Funkenflugs der Loks, kleinen Kieselsteinen gleich, an verschiedenen Stellen im Tunnel. Die Wassertropfen bewirkten, dass die von der Lok gefallenen Partikel sich fortwährend drehten; nun sind sie umschlossen von Kalk wie der Schokokern von M&Ms oder anderen Knabbereien mit Zuckerguss. Stellen Sie sich vor: Über 100 Jahre alte „Funken“!
Im Zuge der Bauarbeiten für den Tiefbahnhof werden die Blauen Rohre für das Grundwassermanagement hindurchgezogen. Und leider werden dabei alle Tropfsteine zerstört werden, ebenso wie der Tunnel selbst. Ebenso zerstört werden die seltenen Krebstierchen, doch auch das ist für das Bauvorhaben Tiefbahnhof irrelevant.
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